Ich war sehr neugierig auf die Geschichte und wurde nicht enttäuscht.
Inhalt
Die Ich-Figur in diesem Buch versucht sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen, nachdem die Großmutter an Demenz erkrankt ist. Warum kann sich das Ich nur bruchstückhaft an die eigene Kindheit erinnern? Warum schweigen Großmutter und Mutter über bestimmte Dinge?
Es ist naiv, zu denken, dass die Geschichten, die wir uns immer wieder erzählen, nichts mit uns machen, dass sie uns nicht machen, und es ist ebenso naiv, zu denken, dass diese Geschichten kein Eigeninteresse haben.“
S. 59 – Unsere Geschichten
Meine Meinung
Das Cover ist wirklich sehr farbenprächtig und springt mit seinen Rot- und Blautönen richtig ins Auge. Ansonsten bin ich kein so großer Fan davon.
Aber von dem Buch dafür umso mehr.
Kim de l’Horizon beschreibt zum Teil die eigene Vergangenheit und wie es ist, wenn sich mensch weder als Frau noch als Mann fühlt. Sehr lange brauchte die Ich-Figur, um sich aus den Strukturen von Großmutter und Mutter zu lösen und sich im non-binären Körper wohlzufühlen.
Gerade die Beschreibungen der Kindheit haben mich sehr mitgenommen. Die allseits präsente Großmutter, die irgendwie alles überschattet nimmt sehr viel Raum ein. Und das Kind fühlt einerseits Angst und andererseits auch Zuneigung.
Aus diesem Grund ist die Meersprache (Muttersprache) sehr wichtig und überall zu finden. Auch als das Kind größer wird und Hochdeutsch schreiben und sprechen soll, kommt es von der Meersprache nicht los. Die Mütter sind ein großer und wichtiger Teil des Lebens und doch findet sich im Stammbaum nur die väterliche Linie.
Ein Mensch ist nichts ohne seine Meersprache. Die Meersprache ist kein Zuhause. Sie ist eine Drohung.“
S. 99 – Meersprache
Deshalb ist es auch so interessant zu erfahren, was mit der weiblichen Blutslinie ist und auch dieser Teil nimmt einen großen Platz in dem Buch ein.
Einige Stellen sind so geschrieben, dass es vollkommen egal ist ob mensch sich ebenso als non-binäre Person fühlt oder nicht. Die Suche nach der eigenen Identität steht im Vordergrund, vor allem als Kind bzw. Jugendliche*r weiß mensch nicht immer wo mensch hingehört.
Kim de l’Horizon setzt sich in dem Buch sehr viel mit Sprache auseinander und jedes Wort wird auf das genauste geprüft und bis ins Kleinste auseinandergepflückt, sodass aus einer vielleicht bekannten Redewendung etwas vollkommen Neues wird.
Der Stil des Buches ist für mich nirgendwo einzuordnen und war etwas vollkommen Neues. Wie gesagt konnte ich an vielen Stellen mitfühlen, aber genauso waren einige Stellen deshalb nicht so einfach für mich nachzuvollziehen.
Wenn Kim zum Bespiel beschreibt, wie sich die Ich-Person im Erwachsenenleben fühlt und die eigene Sexualität auslebt. Manchmal passte das für mich nicht so recht in das Buch, bzw. in den Lauf der Geschichte. Aber auch das alles gehört wohl doch dazu und ist wichtig, um zu begreifen, wie die Ich-Person fühlt und lebt.
Mein Fazit
Ein Buch, dass mir die Bedeutung der Sprache nochmal richtig deutlich gemacht hat, wenn die Ich-Person zum Beispiel das Wort man durch mensch ersetzt. Mir wurde bewusst, wie viel wir noch an uns arbeiten müssen, damit es für alle auf der Welt einfacherer wird sich frei zu entfalten. Obwohl es nicht immer leicht war Kim de l’Horizon zu folgen, war das Lesen dieses Buch für mich eine Bereicherung und ich bin froh das Leseerlebnis nicht verpasst zu haben. Um seinen eigenen Horizont zu erweitern kann ich dieses Buch nur empfehlen!
Fakten zum Buch
Autor*in: Kim de l’Horizon
Titel: Blutbuch
Verlag: DuMont
Seitenzahl: 334
ISBN: 978-3-832182083
Preis: 24,00€
Dir ist eine wunderbare Rezension zum Buch gelungen! Es liegt hier als eBook schon eine Weile bereit und doch hatte ich mich noch nicht getraut, es zu lesen. Bin sehr gespannt auf das Sprachliche! Für viele sind diese Veränderungen schwer zu meistern. Aber jede Veränderung braucht eben seine Zeit.
Wünsche dir einen schönen Sonntag!
Liebe Grüße vom Monerl
Hallo Monerl,
danke dir. 😀
Ja, es ist schon etwas gewöhnungsbedürftig, wenn Worte, die einem von klein auf bekannt sind, auf einmal einen neuen Sinn bekommen oder ersetzt werden. Aber diese Veränderung muss mal sein. 🙂
LG
Ich habe die Diskussion/Kontroverse um die Verleihung des Buchpreises nur am Rande verfolgt und mich schon gefragt, ob der Inhalt des Buches wirklich so skandalös ist, wie verschiedene Artikel insinuiert haben – nach deiner Besprechung habe ich den Eindruck, dass das überhaupt nicht der Fall ist. Hinsichtlich der Handlung klingt das Blutbuch für mich aber auch nicht sonderlich spannend – vielleicht geht es wirklich und allein darum, hier eine andere Lebensrealität als die eigene kennenzulernen und (sprach-)sensibler zu werden. Danke für die Vorstellung!
Viele Grüße
Jana
Hallo Jana,
an einigen Stellen ist geht Kim de l’Horzion schon sehr ins Detail, aber als skandalös würde ich es jetzt nicht beschreiben.
Ich glaube, dass Kim wirklich hauptsächlich seine Gefühlswelt erklären wollte und ob einem das gefällt oder nicht ist ja jedem selber überlassen. Ich fand es mal ganz interessant. 🙂
LG
Hallo Diana, der Text hat bei mir einen ganz anderen Eindruck hinterlassen als bei Dir. Ich hab es eher so empfunden, dass Kim de l’Horizon es mir sehr schwer (unnötig schwer) gemacht hat, zu dem vorzudringen, was das Buch aussagen will. Durch die neue Verwendung der Sprache erlebte ich auch sehr entlarvend, wie eingefahren die Gesellschaft immer noch ist und was für einen großen Anteil daran die Sprache hat. Ich fand es aber ziemlich anstrengend, aus dem gefühlt ungeordneten Wust solche Erkenntnisse zu entdecken. Ich freue mich, dass das Buch für Dich bereichernd war! Ich habe leider keinen Zugang dazu… Read more »
Hallo Gabi,
immerhin hast du dem Buch unvoreingenommen eine Chance gegeben. Auch wenn es dich dann doch nicht überzeugen konnte. So ist das eben. 🙂
LG
[…] mich zwar nicht so begeistern, aber das Große und Ganze war sehr eindrucksvoll. Hier ist meine Rezension zu dem […]