Ich bin mir nicht so sicher, ob ich alle Hintergründe im Buch verstanden habe.
Inhalt
Ein Biologielehrer hat ein Problem. Sein Nachbar über ihm ist zu laut. Er kann kaum noch schlafen, denn ständig wird gestampft und gepoltert. Und so geraten die beiden in einen Nachbarschaftsstreit, der ganz böse endet.
„Ich fühlte mich vergewaltigt. Zerschmettert. Vergiftet. Dieser Mann saugte alle Energie aus mir heraus. Stahl mir meine Nacht, meinen Sonntag, meinen Frieden.“ (S. 15)
Meine Meinung
Das Cover ist okay, aber ich mag irgendwie das Buch ohne Schutzumschlag etwas lieber. Ich mag das Orange und wie einprägsam der Name der Autorin da drauf steht.
Der Schreibstil ist wirklich sehr interessant, denn man erfährt die Dinge alle nur aus der Sicht des Lehrers. Es gibt kaum wörtliche Rede und so ist man hauptsächlich mit den Gedanken und Gefühlen einer Person beschäftigt.
Und ich muss ganz ehrlich sagen, ich weiß nicht wie ich zu diesem Charakter stehe. Auf der einen Seite verstehe ich ihn, wenn er im Detail beschreibt, wie ihn die Geräusche wütend machen und er keine Ruhe finden kann. Ich bin selber recht lärmempfindlich und kann es nachvollziehen, wenn ihn der Krach aus dem oberen Stockwerk zur Weißglut treibt.
„Ich habe weder das absolute Gehör mancher Musiker, noch sind meine Ohren so sensibel wie die von Hunden. Aber ich habe nie begriffen, warum Lärm nicht zu den wirkungsvollen Stichwaffen gezählt wird.“ (S. 9)
Außerdem hat er kein leichtes Leben, denn Lehrer haben es in Brasilien nicht einfach und momentan wird gestreikt, das heißt er bekommt kein Gehalt und muss um seine Existenz bangen.
Und genau da habe ich mich gefragt, ob der Nachbar von oben einfach eine Übertragung ist. Alles was gerade schief läuft wird auf diesen Menschen projiziert. Und unser Lehrer steigert sich in eine regelrechte Obsession rein, die ihn fast schon irre wirken lässt. Wenn er meint das sein Nachbar ihn mit den Augen geheime Botschaften übermittelt.
Er wirkt teilweise vollkommen der Welt entfremdet und trotzdem geht er sehr systematisch bei einigen Dingen vor, als wäre es nur ein Klacks und nicht der Rede wert einen Mord zu begehen.
Mir hat sehr gut gefallen, dass man viel über die Gesellschaft generell in Brasilien erfährt und wie die Autorin diese Missstände mit in ihrem kurzen Büchlein einfließen lässt.
Der Lehrer bleibt aber bei allem was er tut distanziert. Nicht nur für mich als Leser, sondern auch zu den anderen Menschen im Buch. Ich finde gut kann man das merken, weil er sich für die verschiedenen Personen die er trifft andere Namen überlegt, so muss er sich nicht mit ihnen speziell oder mit der Welt im Allgemeinen befassen.
Und genau das fand ich am Ende sehr interessant, denn da findet er dann doch irgendwie seinen Frieden, aber an einem ganz ungewöhnlichen Ort.
„Als endlich Stille einkehrte und die häuslichen Geräusche überdeckte, fühlte ich mich wie unter der Wirkung einer machtvollen Droge.“ (S. 21)
Mein Fazit
Das Buch hat viel Tiefgang und man muss trotz der dünne des Buches dran bleiben um der Handlung des Protagonisten zu folgen. Denn durch seine wirren Gedanken, die ihn manchmal recht psychotisch wirken lassen finde ich, ist es nicht immer leicht ihn zu verstehen. Gut fand ich das wir eine kritische Meinung der Gesellschaft gegenüber finden, aber nicht so gut hat mir gefallen, dass ich am Ende doch ein wenig ratlos blieb. Ich glaube ich habe einfach die ganzen Hintergründe nicht erfassen können. Trotzdem ist es ein interessantes Buch und für alle, die mal etwas zum Nachgrübeln lesen möchten sei dieses Buch empfohlen.
Weitere Meinungen:
Fakten zum Buch
Autorin: Patrícia Melo
Titel: Der Nachbar
Originaltitel: Gog Magog
Übersetzung: Barbara Mesquita
Verlag: Tropen
Seitenzahl: 158
ISBN: 978-3-608-50387-6
Preis: 18,00€
Schwer das Buch in eigene Worte zu bringen oder? Es ist ein gelungener Genre-Mix und gerade weil wörtliche Rede vorhanden ist, übte es einen Sog auf mich aus! Und doch fehlte mir etwas, das ich nicht gezielt benennen konnte … vielleicht war es wirklich die Distanz. So nahe ich dem Lehrer bin, so sehr hielt er mich doch auf Abstand – und ich fand ihn von Seite zu Seite unsympathischer und die eigentlich Sozial/Gesellschaftskritik geriet dadurch in den Hintergrund.
Hab einen mukkeligen Rest-Sonntag <3
Ja, das war eine Rezension die mir wirklich schwer gefallen ist. Und ich bin mir nicht sicher, ob ich auch richtig ausdrücken konnte, wie es mir beim Lesen ging. Aber passt dann vielleicht gut zum Buch. 😀
Einerseits fand ich es gut und war gefesselt, aber dann konnte ich auch keinen Draht zu dem Lehrer finden und fühlte mich ziemlich außen vor. So wie du es auch beschreibst.
Vielleicht war das die Absicht der Autorin?
Ich wünsche dir einen angenehmen Start in die Woche! :-*
Hm, schwer zu sagen was die Absicht der Autorin ist – für mich aber weniger Kriminalroman als eine Kritik an das brasilianische System. Für beides war es mir nicht intensiv genug skizziert, wobei ich es auch gerne gelesen habe – komisches Leseerlebnis 😀
Ja, sehr komisch.
Bei der Lesung wo ich war, hat sie auch gesagt das das eine Kritik am System sein soll. Aber stimmt, da hätte sie vielleicht intensiver drauf eingehen können. Am besten wäre es bestimmt gewesen, wenn sie einfach ein paar mehr Seiten geschrieben hätte. 😉
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